Thomas Mann gilt in der deutschen Literaturgeschichte als einer der bedeutendsten Schriftsteller der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts; er wurde zur führenden Kraft einer Ästhetik, die nach dem Verlust des traditionellen Wertessystems und unter dem Eindruck der Erkenntnisse Siegmund Freuds über das menschliche Unterbewusstsein nach neuen transzendentalen Bindungen des Menschen suchte. Freuds Traumdeutung und seine Erkenntnisse über die menschlichen Triebe lieferten der Literatur neue Ansatzpunkte zur Seelenanalyse ihrer Figuren.
Ein guter Einstieg in die Literatur Thomas Manns ist der kurz vor seinem Tode 1954 veröffentlichte Roman: „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“. Erzählt wird die äußerst amüsante, mit subtiler Ironie durchwobene Lebensgeschichte eines weltgewandten Lebenskünstlers; „… böse Zeugen mögen gar sprechen von der eines Betrügers, genauer… des Betrügers schlechthin: Felix Krull – und zwar von niemand geringeren als von diesem höchst selbst!“ Fast ein halbes Jahrhundert hat Thomas Mann eine Zettelwirtschaft für diesen Roman betrieben. Akribisch notierte er Schauplätze, Szenarien und vor allem Eigenarten der holden Weiblichkeit, sammelte Broschüren und Zeitungsberichte, um sie seinem Schelmenroman , der mutmaßlich versteckt auch autobiographische Züge beinhaltet, zu verarbeiten. Es ist die amüsante Geschichte des ehregeizigen Taugenichts Felix Krull, der sowohl seinen Charme als auch seine Gabe zu ungewöhnlichen Verführungskünsten für seinen gesellschaftlichen Aufstieg nutzt. Vom Liftboy dient er sich zum Kellner hoch, macht mit unnachahmlicher Unschuldsmine seine ersten erotischen Erfahrungen und schlüpft schließlich in die Rolle des Marquis Venosta und bereist mit Pass und Schecks des Adligen die Welt……
Filmeinspielungen
Die dramaturgisch gestaltete Lesung des Felix Krulls von Thomas Mann findet über Filmeinspielungen des gleichnamigen Filmes aus dem Jahr 1957 (Regie: Kurt Hoffmann) inhaltliche Erweiterung. Die untermalenden und den gelesenen Text ergänzenden Einblendungen beleben die Phantasie; die Karriere des ehrgeizigen Taugenichts, der seinen Charme, seine Verführungs- und Verstellungskünste unbekümmert für seinen gesellschaftlichen Aufstieg auf internationalen Parkett ausnützt vollzieht sich so Auge und Ohr. Dank der Mitwirkung Erika Manns am Drehbuch und sorgfältiger Besetzung führt der Film Thomas Manns unvollendeten ironischen Schelmenroman geschickt zu Ende. Geist, Witz, Charme und Ironie stecken in allen Szenen. An Horst Buchholz alias Felix Krull hätte sich Mann sicherlich ergötzt – wir tun es noch heute; wie denn auch die Figur des lausbübische Hochstapler nichts von ihrer liebenswerten Ausstrahlung verloren hat: Thomas Mann hat mit seinem Felix Krull die erotische Komödie, die wir Menschen mit- und untereinander inszenieren, zeitlos enthüllt, ohne uns zu entlarven…
Rezitation: Hardy Krüger Jr.